Guido Tyman, Wilsum

Ein Bett im Schweinestall

Guido Tyman und sein Frau Inge halten rund 830 Sauen. Bemerkenswert ist das durchdachte und konsequente Managementkonzept – vor allem in Hinblick auf die Hygiene. Alle drei Wochen ist es soweit: Im Aufenthaltsraum des Sauenstalls von Guido Tyman aus Wilsum (Grafschaft Bentheim) wird das große Doppelbett ausgeklappt. Das ist normalerweise in einem Schrank versteckt. Aber wenn die Sauen ferkeln, übernachten der 45-jährige Landwirt uns seine Frau Inge (42 Jahre) im Stall. „So können wir auch nachts regelmäßig nach den Tieren sehen und direkt eingreifen, wenn eine Geburt stockt“, erläutert Guido Tyman. Seit gut sechs Jahren läuft das nun schon so. Denn im Jahr 2009 wurde der Sauenstall, in dem das Ehepaar 833 produktive Sauen der Herkunft PIC hält, auf dem freien Feld geplant und gebaut. Die eigentliche Hofstelle mit Wohnhaus liegt rund 5 km entfernt mitten im Dorf. „Uns war klar, dass wir in dieser Lage nicht weiter wachsen konnten. Wir hätten nicht mal den Umbau zur Gruppenhaltung genehmigt bekommen“, ist Guido Tyman sich sicher. Zudem war die Tiergesundheit in den alten Ställen mit 300 Sauen nicht optimal. So gab es beispielsweise PRRS-Einbrüche.Deshalb folgten ab dem Jahr 2007 Überlegungen, wie es mit dem Betrieb weiter gehen könnte. Szenarien waren der Neubau des Sauenstalls ebenso wie das Weiterführen als Nebenerwerb oder sogar die Aufgabe der Landwirtschaft. Guido Tyman ist offen und aufgeschlossen für Neues, handelt aber sehr überlegt und überstürzt nichts. So machte der Landwirt  zusammen mit seiner Frau Inge erst Mal ein Praktikum in einem neuen Stall in Dänemark für 1.200 Sauen. „Nach unserer Anfrage kam der Termin sehr plötzlich, so dass wir mitten im Winter mit dem Wohnwagen für eine Woche hochgefahren sind“, erzählt Guido Tyman. Es war eine sehr intensive Phase mit vielen neuen Eindrücken und nächtelangen Diskussionen. „Hätte meine Frau die Pläne nicht mitgetragen, hätte ich auch keinen Stall gebaut.“ Aber am Ende war sich das Ehepaar einig: Die Sauenhaltung sollte an einem neuen Standort auf dem freien Feld fortgeführt und vor allem aufgestockt werden. Denn letzten Endes schätzt Guido Tyman es, Entscheidungen autark – beziehungsweise mit seiner Familie – treffen zu können. Zum Beispiel, in welche Richtung er den landwirtschaftlichen Betrieb weiterentwickeln möchte. Ebenso genießt er es, sich seine Zeit frei einteilen zu können.

In dem Zuge des Neubaus entschloss sich Familie Tyman, den alten landwirtschaftlichen Betrieb im Dorf auslaufen zu lassen. Und das konsequent: Das Wohnhaus blieb stehen, alle anderen Gebäude wurden abgerissen, die Flächen entsiedelt. Übrig geblieben ist nur ein Maststall mit 2.000 Plätzen, um den sich ein Mitarbeiter fest kümmert und der bereits ausgelagert war. „Die alten Ställe waren mit dem Betrieb mitgewachsen und dementsprechend mehrfach um- und angebaut. Ich wollte aber einen glatten Schnitt. Auch um den Hygienestatus aufrecht halten zu können“, begründet der Ferkelerzeuger seine Vorgehensweise. Hinzu kommt, dass dieser Schritt sich positiv auf die Bauanfrage des neuen Stalls im Außenbereich ausgewirkt hat. Als Guido Tyman sich entschloss, Landwirt zu werden, hielt sein Vater 120 Sauen und 600 Mastschweine. Hinzu kamen rund 35 ha Ackerland sowie Mähdrusch und Pressen im Lohn. „Ich mag es, wenn im Frühjahr bei der Feldarbeit die Böden riechen und wie in der Erntezeit alle, sowohl Familie als auch Mitarbeiter, an einem Strang ziehen“, begründet er unter anderem die Entscheidung für die Landwirtschaft. Nach seiner landwirtschaftlichen Ausbildung betreute Guido Tyman eigenverantwortlich die Mast mit inzwischen 2.000 Plätzen. Außerdem unterstütze er seine Eltern bei der Sauenhaltung. Diese war zu dem Zeitpunkt auf 300 Tiere angewachsen.

In der durch den Neubau geschaffenen räumlichen Entfernung zwischen Stall und Wohnhaus sieht Guido Tyman eigentlich nur Vorteile: „Wenn wir im Stall sind, dann sind wir im Stall und konzentrieren uns voll auf unserer Arbeit mit den Tieren.“ Man rennt nicht mal eben ins Haus, um nach den Kinder zu schauen oder ähnliches. Auch dieser Aspekt sein in Hinblick auf die Hygiene und die ganze Struktur wichtig. Denn jetzt trifft man ganz bewusst die Entscheidung, dass die Arbeit im Stall erledigt ist, man ausduscht und dann in die Wohnung fährt. Die Struktur, die Ordnung und die Sauberkeit, dass alles ist auch nach Außen hin gut sichtbar: Rund um den Stall ist alles gepflastert und aufgeräumt, ein solider Zaun schützt vor ungebetenen Gäste. Die Kadaver- und Güllelager liegen direkt an Zufahrt und somit räumlich weit weg vom eigentlichen Stallgebäude. Insgesamt, so Guido Tyman, war es ihm zusammen mit seiner Frau und den Mitarbeitern nur dank des Neubaus möglich, ein konsequentes Hygienemanagement aufzubauen und einen sehr hohen Gesundheitsstatus zu halten. Und das ist eines der wichtigsten Ziele von Guido Tyman, das er kompromisslos umsetzt. „Bislang konnten wir verhindern, dass das PRRS-Virus aus dem Maststall, beziehungsweise von Außen, in den Sauenstall eingeschleppt wurde.“ Und das trotz einer akuten PRRS-Infektion auf dem elterlichen Betrieb während des Neubaus und der Lage in einer viehdichten Region. Dafür wurde der Betrieb Tyman sogar als Leitbetrieb für effektiven Gesundheitsschutz ausgewählt.

Um diesen Status zu halten, unternimmt Guido Tyman alles und geht zur Not auch Schwitzen: „Dank meines festen Mitarbeiters bin ich selten im Maststall, der nicht PRRS-frei ist. Deshalb dusche ich nicht nur, wenn ich da war. Bevor ich den Sauenstall das nächste Mal betrete, gehe ich immer abends zuvor in die Sauna“, erzählt Guido Tyman. Ein Umstand, den er, wie er grinsend verrät, gerne in Kauf nimmt. Er hofft, dass dank des Schwitzens bei den hohen Temperaturen alle PRRS-Keime, auch die auf den Schleimhäuten, endgültig weg sind. „Ob das wirklich stimmt, kann ich nicht sagen, auch wenn der Rat von meiner Schwester kommt, die Kinderärztin ist“. Aber Guido Tyman fühlt sich besser, wenn er die Gewissheit hat, alles getan zu haben. Rentiert hat sich die kompromisslose Konsequenz bereits: Der Betrieb ist im horizontalen Betriebsvergleich im PIC-Sauenplaner weltweit unter den Besten. Die Tierarztkosten sind deutlich geringer als die des Durchschnitts. Das Konzept von Guido Tyman ist durchdacht. Es wird an den kleinsten Schräubchen gedreht, ohne zu übertreiben. Neben dem Wohlbefinden und der Leistung der Tiere steht immer die Kosten-Nutzen-Rechnung im Vordergrund. „Die letzten 50 Cent sind nicht so wichtig“, bekräftigt Guido Tyman. Auf der anderen Seite versucht er, der Betriebsblindheit vorzubeugen. Sein Sohn ist derzeit auf einem anderen Sauenbetrieb in Lehre. Als er jetzt im Urlaub zuhause war und mal wieder mit in den Stall gegangen ist, meinte er, dass die Ferkel auf dem Lehrbetrieb besser aussehen. Sofort überlegte Guido Tyman, was er verbessern könnte. Seit dem bekommen die Sauen im Abferkelstall ein halbes Kilogramm mehr Futter. Weiter zu wachsen, also die Tierzahl zu erhöhen, ist aufgrund der äußeren Umstände schwierig. Deshalb konzentriert Guido Tyman sich darauf, die Qualität seiner Tiere zu verbessern. So wurde zum Beispiel eine vollautomatische und sensorgesteuerte Flüssigfütterung für die Saugferkel installiert. „Die Ferkel nehmen das Futter sehr gut an und sind viel besser auf die Phase nach dem Absetzen vorbereitet. Ich benötige weniger Antibiotika im Flatdeck“, fasst der Landwirt zusammen.

Guido Tyman und seine Familie legen Wert auf eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit. So haben sie sich bewusst für den 3-Wochen-Rhythmus entschieden, um sich Freiräume zu schaffen. Der Landwirt engagiert sich auch gerne, beispielsweise als Ratsmitglied der Gemeinde Wilsum oder in der Freiwilligen Feuerwehr. „Ich würde auch gerne mehr machen, aber dazu fehlt dann doch die Zeit.“ Ebenso wichtig ist Guido Tyman die gemeinsame Arbeit mit seiner Frau im Stall. Auch die Buchführung wird zusammen erledigt. Er möchte mit seiner Familie an einem Strang ziehen und Entscheidungen zusammen treffen. Für seinen Stall wünscht er sich ein funktionierendes Team. „Das ist in dieser Gegend, so weit ab vom Schuss, nicht einfach.“ Deshalb überlegt er zusammen mit seiner Frau, wie sie Mitarbeiter halten können. „Beispielsweise wartet immer eine Flasche Sekt im Kühlschrank. Wenn wir eine bestimmte Leistung im Abferkelstall erreicht haben, geben wir einen aus. Stimmt die Zahl der abgesetzten Ferkel, laden wir unsere Mitarbeiter zum Essen ein“, beschreibt Inge Tyman. „Von mir aus könnten wir gerne häufiger Essen gehen“, sagt Guido Tyman und lacht.

Guido Tyman blickt optimistisch in die Zukunft. Das Jammern und Nörgeln mancher Berufskollegen scheint nicht seine Art zu sein. Für die Zukunft wünscht sich Guido Tyman, dass der Betrieb so aufgestellt ist, dass er mit Freude den Staffelstab an die nächste Generation übergeben kann. Dazu möchte er seinen Junior möglichst gut integrieren. Eine Herausforderung sieht Guido Tyman in der zunehmenden Bürokratie, die es zu meistern gilt. Außerdem möchte er die Bedingungen im Stall für seine Tiere verbessern und damit die Leistung weiter steigern, aber ohne, dass der Aufwand steigt. Gleichzeitig soll so der Antibiotikaeinsatz weiter gesenkt werden. „Ich möchte damit auch anderen Landwirten und vor allem der Bevölkerung zeigen, dass sich ein hohes Gesundheitsmanagement rechnet. Auch wenn wir gerade zu Anfang schon mal belächelt wurden.“

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